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Operationsmarathon

Aktualisiert: 25. Mai 2021

Ich werde in den letzten Tagen immer wieder vermehrt über meine bisherigen Operationen, die die Narbenschwangerschaften betreffen ausgefragt. Gerne stelle ich euch einen Blogbeitrag darüber zur Verfügung. Ich werde versuchen, es so verständlich wie möglich zu erklären. Ich war im 3. - 4. Monat schwanger und da war er, der Montag - 10. Dezember 2018. Ich war pünktlich um 06:30 in der Arbeit die ich zu dieser Zeit schon mehr als verabscheute. Um 07.30 bekam ich auf einmal eine Sturzblutung. Es war wirklich unglaublich viel Blut. Ich rannte auf die Toilette und versuchte ruhig zu bleiben. Natürlich wusste ich sofort, dass etwas nicht stimmen konnte. Ich kontaktierte weinend meinen Frauenarzt Dozent Leipold der an diesem Tag im Klinikum Klagenfurt Dienst hatte. Ich schleppte mich also noch zu Fuß, kreidebleich im Gesicht ins Klinikum. Am Weg dorthin erfasste mich fast ein LKW da ich blind über einen geregelten Zebrastreifen ging der rot war. Mehr brauche ich zu meiner damaligen Schockverfassung wohl kaum zu sagen. Dort angekommen wurde ich sofort untersucht - aufgrund der starken Blutung konnte man am Ultraschall so gut wie nix erkennen - die Ärzte vermuteten, dass es wohl eine späte Fehlgeburt sein wird. Bis dann irgendwann der Satz kam bei dem ich fast vom Stuhl fiel: "Das gibt's nicht, die Gebärmutter ist leer - es hängt da etwas im Narbengewebe der Kaiserschnittnarbe fest und das lebt". Bitte was? Was heißt das jetzt? Tausend Gedanken zischten durch mein Hirn - werde ich dieses Kind bekommen? Kann man es frühzeitig holen? Überlebt es das alles?

Ich wurde nach Hause geschickt - Abwarten war die Devise. Am Mittwoch, 10.12. hatte ich einen erneuten Kontrolltermin. Bis dahin hatten sie die Ärzte bereits über solche Narbenschwangerschaften informiert, 0,14 Prozent aller Frauen weltweit betrifft so etwas. Ich habe wohl wieder einmal den Jackpot in meinem Leben erhalten. Sarkasmus Ende. Meine Recherchen im Internet blieben erfolglos, ich fand absolut nichts. Mir wurde nahegelegt einen sofortigen Schwangerschaftsabbruch zu machen - eine aufgezwungene bewusste Abtreibung also. Die Aussagen der Ärzte "Du wirst sonst sterben, wir müssen versuchen dich zu retten, dein Leben ist wichtiger, du hast schon ein Kind für das du leben musst, es ist unmöglich diese Schwangerschaft weiterzuführen" hörte ich nur ganz dumpf. Mir war absolut nicht bewusst was mich die nächsten Monate erwarten wird und irgendwie hatte ich auch das Gefühl, dass niemand so recht weiß wie es weiter gehen wird. Natürlich waren die Ärzte sehr bemüht, allem voran mein Frauenarzt Dozent Leipold aber ich hatte wirklich das Gefühl, dass sie alle mit meiner besonderen Geschichte überfordert waren. Ich wurde wieder nach Hause geschickt mit Cyprostol Tabletten die ich den Tag drauf in der Früh anfing zu nehmen - jede Stunde mit einer Schmerztablette gemeinsam. An diesem Tag fuhr ich zu meiner Großmutter und übergab ihr meine Tochter Sophie damit sie das nicht alles so direkt mitbekommen muss. Ich machte mich am Nachmittag auf den Nachhauseweg. Mein Mann sang damals noch bei einer "Gospelgruppe" und sie hatten abends einen Auftritt in Spittal an der Drau. Mir fehlte die Kraft, ihn zu bitten bei mir zu Hause zu bleiben, da ich es für selbstverständlich hielt. Natürlich musste er mitfahren - die Aussage meines Schwiegervaters "Wir haben dort einen Vertrag unterschrieben, das können wir nicht absagen" trifft mich heute noch. Mein Mann und ich haben auch einen Vertrag unterschrieben und zwar am 17. August 2018 am Standesamt Velden! Aber immerhin hatte ich noch das Angebot meiner Schwiergermutter "Ich bin telefonisch abrufbar". So schluckte ich also diese Tabletten und wälzte mich vor Krämpfen und Schmerzen alleine am Boden in der Wohnung herum. Doch es kam kein Tropfen Blut, kein Abgang, kein Baby. Am Freitag, 14.12. begab ich mich wieder ins Klinikum. Mein Arzt hatte lang herum telefoniert, es tat sich nichts, das Baby lebte nach wie vor nur eben an der falschen Stelle. Also wurde mir empfohlen mit dem Spritzen von MTX - Methotrexat eine Art Chemotherapie zu beginnen um das Zellwachstum endgültig zu stoppen. Mein kleiner Kämpfer in mir wie hart ist dieses Urteil? BERNADETTE, wenn wir NICHTS unternehmen wirst du sterben! Aber das tue ich ja sowieso? Ein Teil von mir stirbt mit diesem Kind. An diesem Tag hatte ich zum ersten Mal den Wunsch einzuschlafen und nicht mehr aufzuwachen. Es folgten unzählige ambulante Besuche im Klinikum, so im zwei Tages Takt. Vier mal bekam ich die Chemotherapie gespritzt - im orangen Koffer überreicht, ständig wurde der HCG Wert kontrolliert der auch nur sehr langsam sank. Bei der Untersuchung am 23.12.2018 - ein Tag vor Weihnachten wurde dann festgestellt, dass sein kleines Herz nicht mehr schlug. Ich erkannte Erleichterung in den Gesichtern der Ärzte und des Pflegepersonals. In mir erkannte ich nur noch Leere, schmerzhafte Leere die nichts und Niemand irgendwann mehr auffüllen kann. Wir fuhren anschließend nach Opatija, Weihnachten war ja sowieso irgendwie gelaufen...


"Irgendwann kann es sich lösen und Sie haben eine Sturzblutung" Toll. Es gab Situationen, wo ich mit meiner Tochter im Supermarkt war und ein starkes Unterbauchziehen hatte. Geht es jetzt los? Wie soll ich das Sophie erklären? Ich will nicht, dass sie so etwas mit ansehen muss!!!!!! Nebenbei gesagt, ich arbeitete nach wie vor über 40 Stunden die Woche....

So trug ich unseren Maximilian dann bis 03. Februar 2019 tot in mir und mit mir herum. Tagtäglich.

Am oben besagten Tag wurde ich wieder stationär ins Klinikum bestellt. Mittlerweile verbrachte ich dort ambulant mehr Zeit als sonst wo. Am Freitag zuvor bekam ich noch mal Mifegyne (Abtreibungstabletten) zum Schlucken - wieder ohne Erfolg. Also leiteten sie mir am Montag, 03.02.2019 mittels Cyprostol die Wehen ein. "Sie werden es tot gebären". Aha werde ich? Was denn? Es? Außer Schmerzen und leichten Schmierblutungen passierte wieder mal genau gar nix. Eine Krankenschwester erklärte mir dann noch, ich müsse doch endlich bereit sein es loszulassen. Wenn mich in meinem Leben noch irgendjemand darum bitte etwas loszulassen dann ist es besser, wenn er mir schnell und zügig aus dem Weg geht. Und so wurde ich am nächsten Tag wieder entlassen.


Als ich dann irgendwann Anfang März die Drohung aussprach, mir das tote Baby bald selbst rauszuschneiden wurden alle um mich herum aufmerksam, dass es nun doch endlich an der Zeit wäre etwas zu unternehmen. Ich funktionierte nach wie vor, arbeitete Vollzeit und schupfte den Haushalt und Sophie. Außerdem wurde ich auch seitens der angeheirateten Familie unhöflich gebeten, über meine Geschichte nicht zu sprechen - es geht ja niemanden was an. Man muss aber dazu sagen, dass in diesem Teil der "Familie" generell sehr wenig gesprochen wird. Schon überhaupt nicht über Probleme. Nach außen hin muss immer alles perfekt sein - Highlife! Etwas was ich zu tiefst verabscheue - da ich das nur zu gut aus meiner Kindheit kenne. Gottseidank gab es in diesen schweren Zeiten Tante Ulli, ohne sie und ihre Unterstützung hätte ich das kaum überlebt.


Also, nun zu den Operationen: März 2019; Saugcurettage unter Ultraschallsicht - Leider nicht geklappt also folgte eine Pfannenstiellaparotomie mit Ausschneiden der Narbenschwangerschaft d.H. sie haben mir die gesamte Kaiserschnittnarbe aufgeschnitten - ich hatte so zu sagen einen erneuten Kaiserschnitt und sie haben das Baby entfernt. Ich bat meinen Frauenarzt ein Foto von unserem Maximilian zu machen, und trotzdem, dass im Hintergrund mein offener Bauch zu sehen ist - alles voll mit Blut - wurde das Bild so vollkommen und so besonders. LEIDER wurde mir nicht gesagt, dass ich das Recht gehabt hätte ihn beerdigen zu lassen. Bitte denkt immer daran, jedes Lebewesen auch unter 500 Gramm darf bestattet werden!!! Ich bin Dozent Leipold und seinem Team sehr dankbar, dass sie meine Gebärmutter erhalten konnten - das war ja bis zum Schluss nicht sicher. Die körperlichen Schmerzen waren unglaublich stark - aber nichts im Gegensatz zu den seelischen. Ich ging mit meinem Baby im Bauch rein, ja es war tot aber Maximilian war trotzdem noch da - in mir. Das nach Hause kommen war irgendwie das Schlimmste an allem.

Bei einer Nachuntersuchung fand man dann heraus, dass ich ein riesiges Hämatom in der Gebärmutter hatte. Hurra, die nächste Operation stand an. Man musste es dringend entfernen da es sonst zu erneuten Fehlgeburten kommen könnte. Also lag ich im Juli 2019 wieder am OP Tisch. Die Diagnose lautete Peritoneale Adhäsionen (also Verwachsungen), Blutung und Hämatom als Komplikation eines Eingriffes, anderorts nicht klassifiziert. Geplant: Laparoskopische Hämatomausräumung bei Z.n. Narbenschwangerschaft. Eine Bauchspiegelung versucht man normalerweise in der Bikinizone durchzuführen. Leider war es bei mir nicht möglich, da durch die Chemotherapie ein Großteil des Darms verklebt und auch an die Bauchdecke angewachsen war. Ich hab also total wunderschöne Narben rund um meinen Bauchnabel und überlege mir schon Tattoomöglichkeiten da ich heuer sonst wohl eher nicht im Bikini außer Haus gehen werde. Nicht weil ich mich unwohl fühle, sondern weil die Blicke der anderen Menschen sowie die dummen Fragen einfach nach wie vor verletzend sind. Außerdem war da ja auch noch meine Blase verletzt und es wurde ein Goldnetz darüber genäht. Ich fühlte mich wie knappe 90. Meine geliebte Schwiegeroma ist mittlerweile 93 Jahre alt und sie war zwischenzeitlich um einiges fitter als ich.

Es folgten unzählige Nachkontrollen. Irgendwann im September wurde ich körperlich wieder frei gegeben - wir durften es noch mal versuchen. Alles war überstanden. Diese Hoffnung hielt mich am Leben. "Bernadette, so etwas was dir passiert ist, passiert weltweit so selten. Wir sind so froh, dass wir alles so gut mit dir überstanden haben. Blick positiv in die Zukunft, das nächste Mal wir alles gut" Die Aussage einer Krankenschwester die ich fast täglich in der Gyn Ambulanz sah brannte sich in meinen Kopf. Natürlich, alles wird gut.

Und so war ich sofort, im ersten Zyklus wieder schwanger. Voller Hoffnung und Freude nahm ich auch dieses Kind an und liebte es vom ersten Moment an. Doch das Schicksal schlug erneut zu. Wir waren zu einer Geburtstagsfeier von einem Freund von meinem Mann eingeladen. Er wurde 30 und mietete eine Hütte zum Feiern. Wir packten unsere Sachen zusammen und wollten Samstag Abend los fahren. Am Vormittag traf ich mich mit einer meiner besten Freundinnen zum Frühstück im Südpark. Nach einem Liter Mineral Zitrone musste ich einmal die Toilette aufsuchen. Ich hatte eine Blutung. Das kann nicht sein, was ist da los? Conny googelte sofort und versuchte mich zu beruhigen. Es war der 9. November 2019. Ich fuhr ins Klinikum. Der diensthabende Arzt untersuchte mich und sagte mir, er sieht den Ring of Fire - aber eben erneut in der Narbe. Hiermit möchte ich mich noch einmal von ganzem Herzen für mein Verhalten entschuldigen, obwohl ich es auch schon persönlich gemacht habe. Ich beschimpfte diesen Arzt mit der letzten Kraft die ich noch irgendwo zusammen gekratzt hatte. Wollen mich eigentlich alle verarschen? 0,14 Prozent weltweit und ich hab es gleich zweimal hintereinander? Auch bei diesem "Auszucker" meinerseits wurde nicht daran gedacht mir eventuell einmal psychologische Hilfe zur Seite zu stellen. "Können wir Sie so gut gehen lassen?" fragte er mich? Meine Antwort war nur "Aus dem Weg weil sonst springe ich hier aus dem dritten Stock". Und so rannte ich aus dem Krankenhaus. In die Arme von meinem Mann der die Welt auch nicht mehr verstand. Wir fuhren nach St. Veit ins Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in der Hoffnung, dort etwas Positiveres zu erfahren. Doch auch dort wurde mir die Narbenschwangerschaft bestätigt und wir waren beide am Boden zerstört. Ich schlief die ganze Nacht nicht, ich sprach innerlich mit meinem Baby. Die Gewissheit, auch dieses Kind gehen zu lassen brachte mich innerlich um. Der nächste Tag, ein Sonntag war voll Sonnenschein. Wir beschlossen, nach Velden zu fahren (dort haben wir geheiratet) und spazieren zu gehen. Zum Mittagessen gingen wir in ein nettes Lokal und versuchten uns irgendwie abzulenken. Dort bekam ich eine heftige Sturzblutung. Wir setzten uns ins Auto und mein Mann fuhr mit mir zurück Richtung Klagenfurt. Auf der Autobahn wurde ich bewusstlos. Aus Erzählungen weiß ich, dass er mir immer wieder ins Gesicht schlug damit ich "da" bleibe. Aber wollte ich das? Ich wäre in diesem Moment aus tiefster Überzeugung froh gewesen, wenn alles vorbei ist. Er brachte mich ins Krankenhaus und telefonierte während der Fahrt auch mit Dozent Leipold der gottseidank Dienst hatte. Ich kann mich dann nur noch erinnern, dass es mich komplett durchgeschüttelt hat und ich mich übergeben musste. Kurz darauf wurde ich schon in den OP Saal geschoben. Maria wurde via Saugcurettage abgesaugt.

Wohin sie & Maximilian kamen ist mir bis heute unbekannt. Was ich aber weiß ist, dass sie für immer ihren Platz in meinem Herzen haben.

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