Anfang September 2018 beschlossen mein Mann und ich, nachdem wir im August geheiratet hatten, die Babyplanung zu starten. Mein Frauenarzt gab uns grünes Licht und wir sahen allem positiv entgegen. Was sollte auch schief gehen? Ich bin gesund, im besten Alter, stehe mit beiden Beinen fest im Leben, habe einen Vollzeitjob und bin finanziell abgesichert. Zu diesem Zeitpunkt fühlte ich mich unbesiegbar. Es funktionierte bereits im ersten Zyklus und ich war schwanger. Voller Vorfreude und Glück begann ich im Kopf schon alles zu planen. Ich kaufte bereits Babyschuhe, sah mich schon um alle möglichen Sachen um, die man für ein Neugeborenes eben benötigt. Aufgeregt ging ich in der 6. Woche auch zum Frauenarzt, welcher eine aufgebaute Schleimhaut sah und mir sagte, dass alles in Ordnung sei und dass man so früh noch nichts erkennen kann. Am Montag, dem 10.12.2018 bekam ich eine Sturzblutung und begab mich daraufhin sofort ins Klinikum Klagenfurt, wo mein Frauenarzt bereits auf mich wartete. Ich kannte Blutungen von der Schwangerschaft mit meiner Tochter, aber nicht so extrem starke. Ich wusste sofort, dass hier etwas nicht stimmt. Aber was uns dann erwartete war der Beginn der „Hölle“ – ich weiß bis heute nicht, wie wir, mein Mann und ich dies überstehen konnten und überstanden haben. Die Ärzte stellten nach mehrmaligen gynäkologischen Untersuchungen fest, dass sich der Embryo nicht in der Gebärmutter, sondern in der Kaiserschnittnarbe meiner Tochter festgesetzt hatte, dort auch wächst und sich entwickelt. Das kleine Herz schlug ganz heftig und von diesem Moment an war ich nur noch wie gelähmt. Es war ein Gefühl, als würde ich meinen Körper verlassen und nur noch von außen zuschauen, was mit mir passiert, aber ich konnte absolut nichts mehr wahrnehmen. Mir wurde dann von verschiedenen Ärzten eingetrichtert, dass man versuchen muss vorrangig mein Leben zu retten und dass ich sterben würde, wenn unser Baby weiterwächst, weil mir die Kaiserschnittnarbe zerreißen würde. Also bekam ich 12 Stück Abtreibungstabletten (Mifegyne) welche ich stündlich zusammen mit einem Schmerzmittel einnehmen sollte. So stapfte ich dann, komplett neben mir, nach Hause, mit den Tabletten im Gepäck, ohne zu wissen was mich erwartete. Mir wurde empfohlen die weiteren Stunden im WC zu verbringen. Dann nahm ich also diese Tabletten, es fühlte sich nicht richtig an, aber wie kann sich etwas richtig anfühlen, wenn mir bewusst ist, dass mein Baby in mir stirbt? An diesem Tag war ich komplett alleine. Ich habe in meinem Leben sehr viel mitgemacht, aber dieses Gefühl zu wissen, dass ein Leben in mir zu Ende geht verfolgt mich bis heute. Es war das mit Abstand Schmerzhafteste was ich je durchleben musste. Die Tabletten bewirkten, außer extremen Krämpfen und Schmerzen gar nichts. Die Ärzte waren mit meinem speziellen Sonderfall überfordert. Sie wussten nicht was sie tun sollten – suchten sich Hilfe und Unterstützung außerhalb der Ländergrenzen. Weltweit hieß die Devise, dass dies nur 0,14 % aller Frauen passieren würde. Literatur dazu fand ich nirgends was mich nur noch mehr beunruhigte. Ich, als absoluter Kontrollfreak musste also lernen zu vertrauen – und dass zum Teil fremden Ärzten. Es folgte eine Odyssee von unzähligen, fast täglichen ambulanten Terminen in der Gynäkologie – Blutkontrollen ob der HCG Wert doch endlich sinkt oder nicht, sowie die schlussendliche Entscheidung der Ärzte MTX – Methotrexat – eine Art Chemotherapie zu beginnen, um das Zellwachstum des Embryos endgültig zu beenden. D.H. der endgültige Entschluss, dass mein ungeborenes Baby - welches bis jetzt kämpfte und sich nach wie vor weiter entwickelte sterben muss. Insgesamt bekam ich 4 Spritzen, ein Oberarzt war so „nett“, mir noch den Herzschlag nach der ersten Spritze MTX vorzuspielen. Natürlich wurde ich in dieser Zeit nie gefragt, ob ich psychologische Hilfe benötigen würde und ich hatte auch keine Kraft mir selbst welche zu suchen oder sie einzufordern. Ich war wie in Trance, fühlte mich mit allem allein gelassen. Mein Mann war überfordert mit mir, mit meinem Verhalten und damit, mich weinend und vor Schmerzen kauernd am Boden liegen zu sehen oder einen Blutsturz in einer Badewanne miterleben zu müssen. Ich ließ meinen ganzen Frust, meine ganze Wut und meine ganze Trauer an ihm aus, weil er der Einzige war, der in dieser Zeit für mich greifbar war. Auf allen anderen Ebenen funktionierte ich weiter. Ich arbeitete Vollzeit um die Familie zu erhalten, schupfte den Haushalt und war auch rund um die Uhr für meine schulpflichtige Tochter sowie meinen Ehemann da und nebenbei hielt ich auch noch das damals schon wackelnde und später dann auch einbrechende Familienkonstrukt aufrecht und bei Laune. Einen Tag vor Weihnachten, am 23.12.2018 erhielt ich die letzte Spritze und es wurde keine Herzaktivität mehr festgestellt – mein Baby war also tot, in mir. Die Ärzte hofften, dass es sich von selbst lösen würde und dass mein Körper es irgendwie von selbst abstoßt. Das passierte aber nicht! Vielleicht auch, weil ich nicht bereit dazu war. Ich wollte und konnte es nicht loslassen, bis heute tu ich mir schwer damit. Im Jänner 2019 erfolgte dann stationär die Einleitung der Wehen – ich sollte es „tot – gebären“. Das Krankenhauspersonal redete auf mich ein - "es sei ja dann vorbei" und so ließ ich auch das über mich ergehen. Aber außer einer Schmierblutung und Schmerzen ging auch hier nichts weiter, also wurde ich wieder nach Hause geschickt. So trug ich es weiter, tot in mir bis März 2019 – also insgesamt 3 volle Monate. Als ich den Ärzten in meiner Verzweiflung drohte, mir das Baby bald selbst raus zu schneiden, weil ich damit nicht mehr leben könne, reagierten sie endlich auf meinen kritischen Zustand und operierten mich. Die OP war komplex, es wurde die alte Kaiserschnittnarbe ausgeschnitten. Ich bat meinen Arzt, ein Foto von meinem Baby zu machen, damit ich mich wenigstens irgendwie verabschieden kann. Die Möglichkeit und das Recht es zu bestatten wurde mir nicht eingeräumt - ich wusste damals darüber leider auch zu wenig. Bei der Operation gab es Komplikationen, sodass im Juni 2019 eine weitere OP erfolgen musste. Mein Mann und ich machten miteinander ein Trauerritual, suchten uns einen Platz für unsere Gedenkstätte am Kinderfriedhof in Annabichl, aber ich kämpfte sehr hart mit all dem was uns passiert war. Ich fühlte mich nach wie vor mit allem allein und mein Verdrängungsprozess hielt meinen ganzen Emotionen nicht mehr Stand. Der einzige Lichtblick war für mich die „Freigabe“ von meinem Gynäkologen im September 2019, dass ich wieder schwanger werden dürfte. Ich war zerrissen zwischen Angst & Hoffnung und es gab viele Tage, an denen ich mir wünschte, ich wäre mit diesem Baby in mir gestorben. Ich dachte sehr oft daran aufzugeben! Aber dann sah ich meine Tochter an und wusste aus eigener schmerzhafter Erfahrung, wie schwer es ist, ohne Mutter aufzuwachsen und dass ich diese negativen Gedanken schnell wieder loswerden musste. Weiters musste ich in dieser schweren Zeit auch noch mit Anfeindungen und Intrigen aus der eigenen "Familie" leben. Anstatt füreinander da zu sein machte man mir rund herum noch das Leben zur Hölle. Ohne die Unterstützung und Hilfe meiner auserwählten Herzenseltern Ulli & Ludwig, die in den schlechten und jetzt auch in den guten Zeiten immer zu und hinter mir gestanden sind, hätte ich diese Zeit nicht überstanden. Ich bin auch dankbar für die Hilfe von meiner Familie mütterlicherseits aus dem Lavanttal, wo ich für immer mein Zuhause habe und mich geborgen fühle. Im September 2019 klappte es mit der Schwangerschaft wieder im ersten Zyklus. Mit dem Versprechen der Ärzte („so etwas wird nie wieder passieren“) fand ich mich im November 2019 wieder am OP-Tisch zur Absaugung unseres zweiten Sternenkindes, welches sich erneut in der Kaiserschnittnarbe eingenistet hatte. Ich fuhr dann auch in weitere Krankenhäuser, um mir eine zweite/dritte/vierte Meinung einzuholen. In der Uniklinik in Graz haben Ärzte mir nahegelegt nie wieder schwanger zu werden. In St. Veit wurde mir auch geraten, ich solle es nicht mehr probieren usw. Eine sehr liebevolle Dame aus dem Lavanttal half mir dann meine Ängste zu überwinden. Und so war ich Ende Jänner 2020 wieder schwanger. Wenn ich mir etwas in den Kopf setze, gelingt es mir meistens und ich vertraute ganz auf mein Bauchgefühl, welches mich selten täuscht. Alle guten Dinge sind drei dachte ich und ging positiv und voll Hoffnung in diese Schwangerschaft, obwohl die Angst ganz stark in meinem Hinterkopf saß. Bis zur 8. Woche hatten wir keinen Herzschlag – der Termin im Klinikum Klagenfurt für die Curettage stand schon fest, die Abtreibungstabletten wurden mir von einer Ärztin, mit fehlender Empathie, bereits ausgehändigt. Jedoch war Aufgeben für mich kein Thema. Ich wollte dieses Kind, ich wollte diese Schwangerschaft und ich habe dafür gekämpft, dafür gebetet und gehofft. Heute ist unser Simon, trotz der äußerst problematischen Schwangerschaft, kerngesund und putzmunter. Jeden Tag, wenn er mich anlächelt, weiß ich, dass die ganzen Anstrengungen & der Kampf es wert waren und dass ich von erstem Tag an ihn geglaubt habe. Ich fühlte mich mit diesen enormen psychologischen Belastungen, den körperlichen Qualen und der Trauer komplett allein gelassen und ich möchte nicht, dass es anderen Frauen oder Paaren in so einer Situation ähnlich ergeht. Aus eigener Erfahrung trauert eine Mutter anders als ein Vater. Es ist ihr Körper, in dem dies alles passiert, sie spürt und fühlt anders als jemand, in dem kein Leben heranwächst. Ich hätte mir in diesem Moment eine neutrale & außenstehende Person gewünscht, die einfach nur da ist, bei der ich mich ausweinen kann, bei der ich meinen Schmerz rausschreien kann und die mich einfach nur festhält, weil ich mich nicht mehr gespürt habe. Aber ich war zu diesem Zeitpunkt schon so gravierend blockiert, dass ich eine Unterstützung von außen wahrscheinlich nicht zugelassen hätte. Ich möchte Frauen und Paaren, die ebenso ihr Kind gehen lassen mussten, im Trauerprozess, in der Begleitung des Weges oder mit Ritualen zum Loslassen unterstützen. Weiters möchte ich Frauen und Paare mit Kinderwunsch nach Kindsverlust, unerfüllten Kinderwunsch, Risikoschwangerschaft oder rund um das Thema Schwangerschaft zur Seite stehen. Ich möchte ihnen Mut machen, dass ein Ende auch immer ein Anfang sein kann und sich oft alles, so wie bei mir zum Positiven wendet.
An dieser Stelle möchte ich auch noch allen von ganzem Herzen danken, die in dieser schwierigen Zeit für mich, meinen Mann Florian und meine Tochter Sophie da waren:
Danke an meine Oma, meinen Patenonkel und deren Familie im Lavanttal
Danke an meine selbst ernannten Herzenseltern Ulli & Ludwig
Danke an meine Schwiegeroma Gerlinde
Danke an Dozent Dr. Heinz Leipold & Hebamme Edith Zancolo
Danke an das Team der Gynäkologischen Abteilung im Klinikum Klagenfurt
Danke an das Team der Gynäkologischen Abteilung im KH der Barmherzigen Brüder St. Veit
Danke an das Team der Gynäkologischen Abteilung in der Universitätsklinik in Graz
Danke an alle Freunde und Herzensmenschen die ein Stück dieses schweren Weges mit mir gemeinsam gegangen sind
„Am Ende wird alles gut und wenn nicht dann ist es nicht das Ende.“ Oscar Wilde
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