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AutorenbildBernadette Hartl

Happy B-Day Mama!

Aktualisiert: 11. Aug. 2021

Liebe Mama, ich hoffe du lässt heute richtig die Korken knallen, tanzt am Tisch so wie es sich für uns vlg. Hartls gehört und ich hoffe du isst so viel Kuchen mit deinen zwei Enkelkindern, mit Opa und all meinen Freunden, die bereits bei dir sind, bis euch kotzübel ist. Ich überlege gerade, wie ich deinen heutigen Geburtstag wohl mit dir gefeiert hätte. Wahrscheinlich hätten wir dich der Traditionshalber um 5 Uhr in der Früh mit ein paar Schweizerkrachern oder auch illegalen Böllern die viel zu laut krachen aus den Federn geschossen. Ich wäre die letzte Woche total im Stress gewesen, weil ich alles organisieren müsste. Du wärst in ganz Wolfsberg oder wo auch immer du wohnen würdest plakatiert worden, das Haus oder die Wohnung, in dem oder in der du wohnst, hätten wir eingezäunt voll mit 60iger Tafeln und Girlanden. Ich wäre auch die ganze Nacht nicht geschlafen, weil ich einen Kessel voll Gulasch gekocht und unzählige Brötchen für deine Gäste vorbereitet hätte. Ich wäre rotiert, man dürfte mich nicht anreden vor lauter Zeitdruck, aber ich bin mir sicher, du hättest einen großartigen unvergesslichen Geburtstag gehabt. All das, hätte ich von Herzen gerne gemacht. Jetzt sitze ich hier, betrachte die untergehende Sonne im vierten Stock in Klagenfurt und trinke Sekt. Auf dich. Das ist die nüchterne – oder bald nicht mehr nüchterne Realität. Ich verstehe jetzt so vieles, unter anderem warum du mir meinen Namen gegeben hast, den ich eigentlich gar nicht so gerne mag. Bernadette steht für entschlossene Bärin, die kleine Bärenstarke, stark wie ein Bär. Als hättest du schon bei meiner Geburt geahnt, dass ich es in meinem Leben nicht besonders leicht haben werde. Aber dass es so schwer werden würde, das hast du dir wohl auch nicht gedacht, oder? Es tut mir leid, dass ich als Jugendliche oder auch als junge erwachsene Frau so oft an deinem Grab gestanden bin und dich angeschrien habe, warum du das alles zulässt, wo du bist und warum du mir nicht hilfst. Mittlerweile verstehe ich, warum ich diesen steinigen Weg gehen musste. Als Sophie, deine erste Enkelin geboren wurde verstand ich erst, wie schwer es für dich gewesen sein muss, als du wusstest du musst sterben und du wirst mich zurücklassen. Es klingt zwar hart, aber als Kind habe ich dich gar nicht so vermisst. Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass mir ja jahrelang von der Familie meines Ziehvaters vorgelogen wurde, dass du im Urlaub bist und bald wieder kommst. Vielleicht war ich aber auch einfach abgelenkt durch die Naivität eines Kleinkindes. Eine vorgegaukelte Mutterrolle anhand einer Stiefmutter hatte ich ja in meinem Leben – ob jetzt gut oder böse sei dahingestellt. So lebte ich damals also mein Leben ohne dich, in einem goldenen Käfig, in dem ich zwar alles an materiellen Dingen besitze, aber das Wesentliche fehlte. Wärme und Liebe, die hätte ich gebraucht. Ich fühlte mich in meiner „Herkunftsfamilie“ immer fehl am Platz – warum habe ich ja mit 14 Jahren erfahren dürfen. Manchmal ärgere ich mich darüber, dass du das Geheimnis wer mein Vater ist mit ins Grab genommen hast, aber vielleicht wusstest du es ja auch gar nicht. Alles was ich weiß ist, dass es ein Student war, dass ich 8000 Schilling gekostet habe und dass eine künstliche Befruchtung vor 3 Jahrzehnten noch illegal war bzw. in der Testphase.

Was ich eigentlich sagen möchte, ich vermisse dich, ich vermisse dich jedes Jahr mehr. Die letzten Jahre waren so grauenhaft und hart, dass ich mir manchmal gewünscht hätte, ich wäre bei dir. Bei einer Familienaufstellung wurde das sehr deutlich. Da wurde mittels eines Schals eine Linie gezogen und ich wollte nur über die Linie drüber. Alles was neben mir stand – in diesem Fall meine Tochter Sophie und mein Mann, meine Freunde, meine Verwandten habe ich nicht gesehen. Ich wollte nur bei dir und bei meinen verstorbenen Kindern sein. Irgendwie hat mich das dann aber doch wachgerüttelt. Ich wusste, dass ich im hier und jetzt nach wie vor eine Aufgabe habe und dass ich diese erfüllen werde bis meine Zeit kommt. Ich weiß auch, dass du wartest. Trotz allem vermisse ich dich sehr. Danke, dass du mir mit Tante Ulli so eine tolle Ersatzmama auf Erden geschickt hast. Ich weiß, dass du da oben die Fäden ziehst und vieles leitest. Sie ist die beste Ersatzmama, die man sich wünschen kann. Ohne sie, hätte ich die letzten Jahre definitiv nicht überlebt. Sie ist immer da, wenn ich sie brauche. Auch wenn sie selbst gerade eine schwere Zeit hat oder ihr Leben voll mit Sorgen ist kümmert sie sich um mich und mein Wohlergehen, das Wohlergehen meiner Familie und meiner Kinder. Sie stellt sich immer an die letzte Stelle, obwohl sie andauernd nur an der Ersten stehen sollte. Ich schwöre dir, ich werde für sie auch die Tochter sein, die sie nie haben durfte. So wie sie die Mutter ist, die ich nie gehabt habe. Und du, du spinn weiter deine Fäden im Himmel, im Universum oder wo auch immer du sein magst. Du bist für immer bei mir, in meinem Herzen. Ich weine, und Simon quietscht mich vom Boden an, er hat keine Lust zum Schlafen, zieht an meinem Shirt und plappert Mama, Mama, tata, tata. Während all dem lächelt er durchgehend. Ich danke dir, für das Geschenk, dass ich Simon noch bekommen durfte. Auch wenn das jetzt blöd klingt und es gar nicht seine Aufgabe ist, aber er macht so vieles von all dem Horror in den letzten Jahren wieder gut. Und er ist auch ein Teil von dir, der weiterlebt. Gleich wie Sophie. Sie hält mir täglich einen Spiegel vor, sie ist 1:1 wie ich. Das mag jetzt nach außen gut klingen, aber es ist manchmal die reinste Katastrophe. Sie ist mit acht Jahren schon so eine Persönlichkeit, dass ich für die Pubertät bereits spare – fürs Auswandern nach Neuseeland – eine Kiwi Plantage schwebt mir aktuell vor, oder irgendwas mit Baumwolle. Aber ich bin mir sicher, beide Kinder gehen ihren Weg, sie haben den starken Willen und vieles vom Charakter ihrer Oma und ihrer Mutter geerbt und das beruhigt mich wieder sehr.


Ich wünsche mir, dass mein geistiges Blabla dich erreicht, und du weißt, wie sehr ich dich liebe, wie sehr ich dir danke und wie sehr ich mir wünsche, dass du hier wärst. Es tut mir leid, dass du sterben musstest. Es ist ungerecht und gemein. Du wärst eine unglaublich großartige Mutter, eine noch bessere Oma, eine lustige und gesellige Schwiegermutter und ein Mensch, den ich jetzt gerade mehr je zuvor in meinem Leben brauchen würde. Die Lücke, die du hinterlassen hast ist unendlich groß. Bitte beschütze in Zukunft weiterhin meine Familie mit Sophie und Simon, deine Mutter - meine Oma, deinen Bruder mit seiner Familie, meine Herzenseltern Ulli & Ludwig sowie meine Schwiegeroma Gerlinde auf Erden, und all die Menschen die mir lieb sind.


Alles Gute zum 60iger Mama!


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