top of page

Die Geschichte rund um den Mais aus der Dose


Jedes Mal, wenn ich eine Dose Mai öffne, muss ich schmunzeln – und JA wirklich jedes Mal. Der Grund dafür ist Sean. Wer ist Sean? Sean Jones war ein internationaler Bodybuilder, ein Fitnessmodel und ein großartiger Mensch. Aber was hat das jetzt mit Mais zu tun? Im Februar 2014 lernte ich über meinen Freund Stefan der ein Fotostudio in Klagenfurt besitzt und dort erfolgreich tätig ist Sean kennen. Etwas Nichts ahnend wurde ich zu einem Shooting eingeladen da ich damals noch relativ viel als Model tätig war. Da stand ich dann – völlig unvorbereitet – mit einer vollgepackten Tasche an Bekleidung, die ich nicht brauchte – denn es war ein Aktshooting. Na bravo, und das dann auch noch mit Jemanden den ich zuvor noch nie gesehen habe. Aber gottseidank bin ich ja, durch das das ich gut mit mir und meinem Körper bin relativ schmerzbefreit was so etwas betrifft.

Sean und ich hatten sofort einen Draht zueinander und konnten gleich über Stefan lachen, dessen einziges englisches Wort „awesome“ war. Wie man bei den zwei Bildern da oben sieht hatten wir in den Pausen immer viel Spaß. Und ja, das sind selbstgestrickte Socken! Ich hasse es kalte Füße zu haben - nur mal so am Rande! Das Shooting war in ein paar Augenblicken erledigt und danach sind wir noch alle gemeinsam zusammengesessen. Stunden vergingen und es war, als würden wir uns ewig kennen. Es waren keine oberflächlichen Gesprächsthemen, die wir durchkauten – nein es war viel Persönliches, Lebenserfahrung, Schicksalsschläge usw. Ich war berührt und beeindruckt von der Offenheit die Sean an den Tag legte.

Sean flog dann wieder zurück in die Staaten aber der Kontakt zueinander blieb aufrecht. Er wollte unbedingt im April wieder kommen und ich bot ihm kurzerhand an bei uns zu wohnen. Natürlich so wie man mich kennt, ohne dass zuvor mit meiner Familie zu besprechen. Aber die kannten meine spontanen Bauchgefühlsentscheidungen nur zu gut und waren auch einverstanden. Damals lebte ich noch im Lavanttal, in einem kleinen „Kuhkaff“, wo ich mich durchaus wohl fühlte - aber ich muss jetzt nicht erklären was es heißt, wenn dort auf einmal ein schwarzer Amerikaner wohnt.


Am 13.04.2014 holten wir Sean am Flughafen Wien-Schwechat ab, ich stand beim Ankunftsterminal wie bestellt und nicht abgeholt mit meinem Hulk Zettel in der Hand. Sean schlief tatsächlich die ganze Autofahrt über. Irgendwie habe ich mir die Fahrt spannender vorgestellt, aber dann erinnerte ich mich an meinen Jetlag und versuchte Verständnis aufzubringen. Zuhause angekommen konnte ich es mir natürlich nicht verkneifen Sean in unserem Lila Gästezimmer unterzubringen.

Und JA – dort war wirklich alles lila – von der Bettwäsche angefangen, bei den Wänden und Vorhängen aufgehört. „You don’t really mean that or? “ fragte er mich grinsend. “Purple flatters your complexion” lachte ich und Sean bezog das Zimmer. Immer dabei war der Brief, den ihm seine verstorbene Mutter geschrieben hat. Sie starb an Brustkrebs und er litt sehr darunter. Da meine Mutter sehr früh verstorben ist konnte ich seine Trauer gut verstehen. Bei einem unserer Gespräche über unsere Mütter weinten wir gemeinsam. Ich erinnere mich daran zurück als wäre es gestern gewesen.


Sean war voll integriert in unseren Alltag, er half bei Renovierungsarbeiten am Haus, kochte für uns und meine Tochter Sophie liebte ihn vom ersten Tag an. Er war so aufgeschlossen, so offen und herzlich. Wenn ich so zurückdenke, habe ich wirklich Tränen in den Augen, weil er mir manchmal sehr fehlt. Er war aber auch oft überaus anstrengend und nervig, soviel soll gesagt sein und gesagt werden dürfen.


Nun zum Mais. An einem Frühlingstag fuhren Sean und ich einkaufen da unser Kühlschrank leer war und er ständig Hunger hatte. Einkaufen mit Sean war eine eigene Wissenschaft. Er überprüfte jeden Artikel, der in den Einkaufswagen kam, ganz genau. Das Gemüse wählte er so sorgfältig aus, dass ich manchmal schon verzweifelte und dachte, wir werden im Supermarkt übernachten. Damals als 30 Stunden arbeitende Mutter von einem 1-jährigen Kind war bei mir der gesamte Wocheneinkauf meistens in zehn Minuten erledigt. Mit Sean verbrachte ich oft fast eine Stunde im Geschäft – für nur ein einziges Mittagessen. Unbedacht fing ich irgendwann an genervt alles Mögliche in den Wagen zu stopfen in der Hoffnung bald nach Hause zu kommen – immerhin wartete eine volle Waschmaschine. Sean machte es sich dann zur Aufgabe, all meine Lebensmittel wieder zurück in die Regale zu stellen. Zu ungesund, zu viel Zucker. Und der Mais!!!!! Wie kann man nur Mais aus der Dose kaufen? Mais kauft man nur im Glas! „It’s all about the taste!“ So schockiert habe ich ihn wirklich nie gesehen. Ich bekam einen Lachanfall – mitten im Merkur. Die ganze Autofahrt über musste ich mir einen hochwissenschaftlichen Vortrag über Mais in Dosen anhören. Und heute wünsch ich mir oft, er würde mit mir sprechen, ich könnte ihn anrufen und ihm meine Sorgen erzählen denn Geheimnisse waren bei ihm immer gut aufgehoben. Und ich wünsche mir diese Supermarktsessions zurück denn sie waren so wertvoll für mich. Zwei Tage bevor Sean starb chatteten wir miteinander. Er schrieb mir, dass er so müde ist. Müde vom Arbeiten, müde von der ständigen Performance, müde vom Leben. Er vermisse seine Mutter immer mehr, manchmal könne er Nächte lang nicht schlafen. Er habe auch Angst zu versagen, alle erwarten immer den Strahlemann der er ja auch war, aber viele oberflächlichen Menschen in seinem Leben können sein zweites Gesicht nicht ertragen. Das Gesicht das von Selbstzweifel und Sorgen gezeichnet ist.


Als ich dann von seiner Todesnachricht erfuhr, wusste ich, er ist jetzt dort, wo er insgeheim schon so lange hinwollte. Ein Ort nach dem er sich immer wieder sehnte.

Lieber Sean, ich hoffe du bist angekommen. Ich danke dir für die Zeit und für die Begegnung mit dir. Es war eine Bereicherung für mich und meine Familie sowie all meine Freunde, die du hier kennen gelernt hast. Wir werden dich auf ewig in Erinnerung in unserem Herzen halten. Danke für die unzähligen Lachkrämpfe, die Spatzen von den Trainings mit dir und deinen unglaublichen Charme. Danke auch für deinen unermüdlichen Einsatz für Brustkrebs. Danke für deine Freundschaft. Grüß mir bitte all meine Lieben und ich wünsche dir, dass es nur Mais in Gläsern gibt, da wo du jetzt bist. PS: Falls nicht, schick mir ein Zeichen und ich bring welchen mit – versprochen!



LINKS:


Photos: Privat, Stefan Poscharnig - HD Foto




142 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page